3.1 Überblick
Paket 3 umfasst einen weiteren Teil der Status Quo Bestimmungen, nämlich die Analyse des Energieverbrauches und der THG-Emissionen. Diese Erkenntnisse stellen die Basis für die Festlegung von Zielen und Maßnahmen dar.
Paket 3 umfasst also:
- eine detaillierte Energieplanung, d. h. die Analyse und Bewertung der sog. Energetischen Ausgangsbasis und die Erstellung der THG-Bilanz (vgl. Kapitel 3.2)
- die Ableitung von Zielen, Maßnahmen und Kennzahlen zur Leistungsbewertung (vgl. Kapitel 3.3)
3.2 Analyse des Ist-Zustands (Energetische Ausgangsbasis, THG-Bilanzierung)
Ausgangssituation in EnMS
Um den Ist-Zustand zu bestimmen hat die Regio-Tex GmbH ihr(e):
- wesentlichen SEUs identifiziert und den Energieeinsatz sowie die -verbräuche analysiert und bewertet, um Chancen zur Verbesserung der energiebezogenen Leistung zu bestimmen und zu priorisieren, um daraus folgend Abschätzungen für den künftigen Energieeinsatz und -verbrauch zu tätigen (ISO 50001, Kap. 6.3)
- Energiekennzahlen gebildet, um die energiebezogene Leistung zu messen und ihre Verbesserung nachzuweisen (ISO 50001, Kap. 6.4)
- energetische Ausgangsbasis bestimmt (ISO 50001, Kap. 6.5) und
- Konzept für die Energiedatensammlung festgelegt (ISO 50001, Kap. 6.6).
Anforderungen im KliMS
Im Klimamanagement geht es um die Bilanzierung der THG-Emissionen, die aus den Aktivitäten des Unternehmens, also auch aus dem Energieverbrauch in Scope 1-3 resultieren. Die Durchführung der Bilanzierung ist sehr anspruchsvoll und setzt sich aus mehreren Schritten zusammen (vgl. Übersicht Schritte THG-Bilanzierung sowie PAS 2060, Kap. 5.1, 5.2, 5.3, 6.1, 6.2).
Bitte beachten Sie, dass es vorab sowie im Nachgang Schritte zu beachten gibt. Diese entnehmen Sie bitte der Übersicht Schritte THG-Bilanzierung.
Aktivitätsdaten erfassen
Die benötigten Daten zu erheben, ist der aufwendigste und ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur THG-Bilanz. Denn die Qualität der Daten entscheidet letztlich über die Qualität der Ergebnisse.
Datenerhebung Scope 1 und 2
Aktivitätsdaten aus Scope 1 (betriebsinterne Verbrennungsprozesse, Firmenfahrzeuge, Prozess-emissionen) und Scope 2 (eingekaufte Energie) sollten grundsätzlich über die im Energiemanagement geführten Daten vorhanden sein und lassen sich in der Regel mit guter Genauigkeit aus Zählerablesungen, Rechnungsbelegen oder Füllständen ermitteln.
Datenerhebung Scope 1 und 2
Innerhalb von Scope 3 (vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette) ist zu empfehlen, die Datenerhebung gemäß den 15 nach GHG-P definierten Emissionskategorien zu erfassen (vgl. Tabelle 4). Je nach Emissionskategorie kann die Datenqualität und Datenverfügbarkeit stark variieren. Ggf. sind bei Zulieferern bereits THG-Emissionen ermittelt worden, diese Primärdaten können z. B. mithilfe einer massenbezogenen Umrechnung auf die eingekauften Produkte umgeschlagen werden. Sollten Zulieferer auf Nachfrage keine Informationen über die Emissionen ihrer Produkte zur Verfügung stellen können, muss auf Datenbanken oder Schätzungen zurückgegriffen werden. Primärdaten, wie Kraftstoffverbräuche oder THG-Emissions-Daten von Zulieferern sind immer sogenannten Sekundärdaten aus Modellen oder Schätzungen vorzuziehen, um eine höchst mögliche Genauigkeit zu erreichen. Tabelle 6 gibt einen Überblick über Emissionsdaten und -quellen für Emissionen aus Scope 1-3.
Sollten Sie die genauen Anforderungen der ISO 50001 für die Kap. 6.3 bis 6.6 und die Möglichkeiten für ihre Umsetzung nochmals nachlesen wollen, so empfehlen wir einen Blick in folgende Leitfäden:
Broschüre Einführung Verbesserung Energieeffizienz
Eine tabellarische Zusammenfassung über die einzelnen Schritte finden Sie hier zum Download als Übersicht:
Die Herkunft, die Qualität, die Maßeinheit, die vorliegenden Unsicherheiten und der Anwendungszeitraum der Daten müssen separat dokumentiert werden (PAS 2060 6.2)! Nach ISO 14064-1 sollen Managementverfahren implementiert werden, um die Daten der THG-Bilanz regelmäßig auf Genauigkeit, Vollständigkeit und Konsistenz zu überprüfen. Damit sollen systematische Ausschlüsse identifiziert, Fehler reduziert sowie relevante Daten der Bilanz oder andere Managementaktivitäten dokumentiert, berichtet und archiviert werden (DIN ISO 14064-1, Kap. 8).
Wie wir schon bei der Festlegung des Anwendungsbereiches erläutert haben (vgl. Kap. 2.3), müssen prinzipiell alle Scope 1 und 2 Emissionen beachtet werden, für Scope 3 gilt der Grundsatz der Wesentlichkeit und Machbarkeit.
Wesentlichkeitsbetrachtung
Die Wesentlichkeitsanalyse muss gemäß ISO 14064-1 auf nachvollziehbaren Kriterien basieren. Sie ist die Basis dafür, welche Scope-3-Emissionen betrachtet bzw. ausgeschlossen werden. Diese Kriterien sollten jedoch nicht zum Ausschluss von wesentlichen Emissionen führen. Ausschlüsse von Scope-3-Daten müssen begründet werden und sind z. B. zulässig, wenn die Datenerhebung unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt oder zu kostenintensiv ist (DIN ISO 14064-1, Kap. 5.2.3). Die spezifische Verteilung der Emissionen zwischen den Scope 1, 2 und 3 Kategorien hat maßgeblichen Einfluss auf die Komplexität der Datenaufnahme. In Abhängigkeit der Verteilung wird definiert, welche Scope-3-Kategorien als wesentlich betrachtet werden müssen und welcher Aufwand zum Erreichen einer ausreichenden Datenqualität erforderlich ist.
Möglichst umfangreiche Berücksichtigung von Scope 3 Emissionen
Die möglichst umfassende Berücksichtigung der THG-Emissionen aus Scope 3 ist deshalb wichtig, weil branchenübergreifend im Schwerpunkt die Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette den größten Anteil an den Gesamtemissionen eines Unternehmens ausmachen. In der nachgelagerten Wertschöpfungskette sind dies vor allem die THG-Emissionen, welche in der Nutzungsphase von Produkten und Dienstleistungen entstehen (vgl. Abbildung 9). In der vorgelagerten Wertschöpfungskette sind es häufig eingekaufte Waren und Dienstleistungen, die einen erheblichen Teil der THG-Menge ausmachen. Allerdings wird diese Relevanz nicht von allen Unternehmen richtig eingeschätzt. Am Beispiel der Geschäftsreisen wird deutlich, dass von 145 befragten Unternehmen 67 % über diesen Scope-3-Bereich berichten, obwohl die THG-Emissionen aus Geschäftsreisen nur 0,2 % der Gesamtemissionen aus Scope 3 ausmachen. Andererseits berichten nur 23 % der befragten Unternehmen über die Scope 3 Emissionen aus dem Gebrauch der verkauften Güter, obwohl die THG-Emissionen aus diesem Bereich 65 % der Gesamtemissionen betragen (vgl. Abbildung 10).
Wir empfehlen folgendes Vorgehen bei der Wesentlichkeitsanalyse:
Erstellen Sie eine einfache Checkliste mit den Scope-3-Kategorien und ordnen Sie konkrete Beispiele aus dem Unternehmen zu
Recherchieren Sie Erfahrungen anderer Unternehmen im gleichen Sektor/Branche und Best Practices z. B. über die Verbände oder fragen Sie Experten im Unternehmen
Entwickeln Sie weitere Kriterien zur Bewertung der Wesentlichkeit wie z. B. Möglichkeiten der Datenbeschaffung, Datenqualität, Einfluss, potenzielle Emissionshöhe, Grad des Einflusses auf Quellen und Senken, Risiken und Chancen, Relevanz bei interessierten Parteien
Bewerten Sie die einzelnen Kategorien anhand ihrer qualitativen Kriterien und unter Nutzung von Bilanzierungstools
Dokumentieren Sie den Prozess und die Kriterien Ihrer Wesentlichkeitsanalyse
Ein zweckmäßiges Bilanzierungstool für Scope 3 ist z. B.:
Scope3analyzer (https://scope3analyzer.pulse.cloud/)
Abbildung 8: Anteil der Scope-3-Emissionen an der THG-Bilanz unterschiedlicher Branchen
Abbildung 9: Gesamte THG-Emissionen aus den unterschiedlichen Scope-3-Kategorien (CDP)
Schritt 2: Bilanzierung durchführen
Für die Berechnung der THG-Emissionen wird, außer im Falle einer direkten Messung der Emissionen, immer ein Modell benutzt. Da ein Modell immer eine Vereinfachung von physikalischen Prozessen ist, welche Annahmen und Beschränkungen umfasst, muss das Modell quantifiziert werden (DIN ISO 14064-1, Kap. 6.2.3). Wir empfehlen das hier angegebene Modell, da es sich um ein häufig angewandtes und geprüftes Verfahren handelt.
Um die THG-Emissionen einer Organisation zu berechnen, sind drei grundlegende Schritte durchzuführen (vgl. Abbildung 11):
- Berechnung der Rohemissionsmengen für jedes Gas (Multiplikation der Aktivitätsdaten mit dem entsprechenden Emissionsfaktor)
- Berechnung der CO2-Äquivalente (CO2eq) für jedes Gas (Multiplikation der Rohemissionsmengen mit dem GWP)
- Gesamtemissionen berechnen (Addition der Mengen CO2eq jedes Gases, um die Gesamtemissionen für die Quelle zu erhalten)
Abbildung 10: Grundlegende Schritte der Bilanzierung von THG-Emissionen
Berechnung der Rohemissionsmengen für jedes Gas
Für den ersten Schritt der Berechnung sind neben den Aktivitätsdaten die sogenannten Emissionsfaktoren notwendig (DIN ISO 14064-1, Kap. 6.2.2).
Auch bei den Emissionsfaktoren sollte auf die höchst mögliche Genauigkeit geachtet werden, um eine gute Datenqualität zu gewährleisten. Emissionsfaktoren für Brennstoffe und Strom sind transparent und kostenlos zu beziehen. Alle anderen Emissionsfaktoren sollten idealerweise von der Organisation selbst berechnet werden, da sie aufgrund von prozessbedingten Unterschieden und des Umfangs zwischen den Anlagen stark variieren können. Allerdings sind diese Berechnungen sehr aufwendig und komplex, weshalb oft auf Emissionsfaktoren aus Datenbanken zurückgegriffen wird. Bei der Auswahl der Emissionsfaktoren sollte unbedingt auf Aktualität (PAS 2060 6.1) und auf folgende Kriterien geachtet werden:
- Relevanz für die betreffende Tätigkeit
- welche Systemgrenzen wurden bei der Modellierung beachtet
- sind alle THG vollständig betrachtet
- ist die Quelle professionell und anerkannt
Berechnung der CO2eq für jedes Gas
Um bei der Berechnung ein vergleichbares Ergebnis zu erzielen ist es wichtig, das Ergebnis aus der Multiplikation der Aktivitätsdaten und dem Emissionsfaktor mit einem geeigneten Umrechnungsfaktor, nämlich dem GWP des IPCC, zu verrechnen. Für Scope 1 sind die Emissionen für jedes THG separat zu führen. Für alle indirekten Emissionen reicht eine Angabe als CO2eq. Ausschlüsse von IPCC-Faktoren sind zu begründen (DIN ISO 14064-1, Kap. 5.2.2 und 5.2.3).
Berechnung der Gesamtemissionen
Als letzter Schritt müssen die berechneten Mengen nur noch miteinander summiert werden um die Gesamtemission zu erhalten, da im Vorfeld alle Emissionen mithilfe des GWP in CO2eq umgewandelt wurden. Abbildung 11 zeigt zusammenfassend eine Gesamtübersicht der erforderlichen Arbeitsschritte.
Der Emissionsfaktor ist das Verhältnis aus der Masse eines freigesetzten emittierten Stoffes zu der eingesetzten Masse des Ausgangsstoffes. Da der Emissionsfaktor sowohl stoff- als auch prozessspezifisch ist, ist er abhängig:
vom Ausgangsstoff
vom Prozess
vom betrachteten (emittierten) Stoff
Zum Zwecke der Konsistenz der THG-Bilanz sollte möglichst eine einheitliche Quelle für die Emissionsfaktoren derselben Kategorie verwendet werden.
Beispiele für kostenfreie Datenbanken:
Gemis (Werte für Energie-, Stoff- und Verkehrssysteme)
ProBas des UBA und Öko-Instituts (Lebenszyklusdaten)
DEFRA (englischsprachig)
Beispiele für kostenpflichtige Datenbanken:
Ecoinvent (sehr weit verbreitet)
GaBi (umfangreichste intern konsistente Datenbank)
EFDB (enthält Werte des IPCC)
Eine Übersicht über verschiedene Tools und Datenbanken für die Ermittlung der Emissionsfaktoren finden Sie unter:
https://kmu-klima-deal.hszg.de/wissensdatenbank/auswahl-an-datenbanken-fuer-emisionsfaktoren
Da die Datenmenge bei der THG-Bilanzierung enorm ist, kann das Datenmanagement von einer Business-Intelligence-Software und einem ERP-System übernommen werden, das die Eingabe standardisierter Berechnungsverfahren, die Erstellung von Jahresberichten, die Überwachung von KPIs und mehr ermöglicht. Mehrere ERP-Systeme haben bereits Nachhaltigkeits- oder Carbon-Footprint-Module eingeführt, die die Berechnung, Überwachung und Berichterstattung von definierten Indikatoren ermöglichen. So bietet z. B. Microsoft Dynamics NAV oder Navision ein Dashboard zur ökologischen Nachhaltigkeit. Das Dashboard folgt der Methodik und den Anforderungen des GHG-P. Die Zählerstände für Erdgas oder Strom werden manuell eingegeben. Jedem Geschäftsprozess kann automatisch ein CO2-Wert und eine Berechnung zugewiesen werden. Das Ergebnis kann in verschiedenen Berichten oder Dashboards mit Diagrammen und Tabellen für die Überprüfung und Überwachung durch das Management zusammengefasst werden. Auch andere ERP-Systeme wie SAP bieten mittlerweile Nachhaltigkeitsmodule an. Möglich sind auch eigene Entwicklungen und Implementierungen in das ERP-System. Wichtig ist, die Softwarelösung in bereits bestehende IT-Strukturen zu implementieren. Ein preiswerter und einsteigerfreundlicher Ansatz ist die Verwendung kostenloser spezifischer Excel- und Online-Tools. Ein Beispiel ist das kostenlose Tool ecocockpit. Es hat bereits Emissionsfaktoren hinterlegt und bietet einen guten Einstieg in das Thema THG-Bilanzierung:
Abbildung 11: Grundlegende Umrechnung von THG in CO2eq und Ermittlung der Gesamtemissionen
Schritt 3: Ergebnisdarstellung
Nachdem Sie die Gesamtemissionen berechnet haben, sollten Sie sich die Verteilung der Scope 1-3 Emissionen anschauen, den Gesamt CCF und ggf. weitere Auswertungen. In den nachfolgenden Grafiken sind zwei typische Verteilungsbilder von Unternehmen zu sehen. Das linke Bild zeigt die Verteilung der Scope 1-3 Emissionen für einen Anlagenbauer. Es wird gut ersichtlich, dass der Großteil der Emissionen, nämlich 97 % in den Scope-3-Emissionen ohne direkten Einfluss liegen. Das rechte Bild visualisiert die Emissionen eines Energieversorgers. Da sehr viel Erdgas für die Erzeugung von elektrischem Strom verbrannt wird, ist der Anteil der Scope-1-Emissionen wesentlich höher als der Anteil der Scope 2 Emissionen. In den meisten produzierenden Unternehmen, mit der Ausnahme es wird Grünstrom bezogen, ist die Verteilung zwischen Scope 1 und Scope 2 genau umgekehrt. Im Falle des Versorgers sieht man, dass ein Hauptteil der Emissionen der Benutzung der Produkte (Gas) und den vorgelagerten Emissionen aus gekauften Kraftstoffen entsprechen.
Abbildung 12: Visualisierung der Verteilung von Scope 1-3 Emissionen
(Grafik 1: Anlagenbauer, Grafik 2: Energieversorger)
Hinweise zur Integration und praktischen Umsetzung
Für die Erstellung einer THG-Bilanz sind Kenntnisse über Energieverbräuche notwendig, die durch ein vorhandenes EnMS bereitgestellt werden können. Strukturen und Prozesse des EnMS können oft für die Erhebung der THG-Aktivitätsdaten genutzt werden. Die THG-Bilanz hat einen breiteren Betrachtungsbereich als die Scope 1-2 Bilanzierung und erfordert eine Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen. Die Regio-Tex GmbH konnte aufgrund ihres EnMS die Scope 1-2 Bilanzierung unproblematisch durchführen und arbeitete iterativ an der Scope-3-Bilanzierung. Die Veröffentlichung von Produktbilanzen durch Hersteller kann helfen, einen präziseren Datenbestand zur Bewertung der eigenen Emissionen zu nutzen.
3.3 Ziele, Maßnahmen und Kennzahlen
Ausgangssituation in EnMS
Die Ergebnisse aus der Energieplanung sind für die Regio-Tex GmbH die Ausgangsbasis für die Festlegung von Zielen, Maßnahmen und dazu gehörigen Kennzahlen. Sie formuliert strategische Ziele in der Energiepolitik (z. B. kontinuierliche Senkung des Energieverbrauchs) und leitet operative Ziele daraus ab, die von den jeweils verantwortlichen Personen umgesetzt werden (z. B. Verminderung des Elektrizitätseinsatzes der Spannrahmen auf 85% des aktuellen Energieverbrauchs durch Restrukturierung und Neuinvestitionen bis zum Zeitpunkt xy). Um die Erreichung der strategischen und operativen Energieziele sicherzustellen, werden in der Regio-Tex GmbH Aktionspläne festgelegt und regelmäßig aktualisiert. Diese enthalten nicht nur Verantwortlichkeiten (Unternehmensbereich, verantwortlicher Mitarbeiter), Ressourcen (Personal, Arbeitszeit, Investitionsbudget, Anlagentechnik) und Termine, sondern auch die Energieleistungskennzahlen, mit deren Hilfe die Zielerreichung, d. h. eine Verbesserung der energiebezogenen Leistung überprüft werden kann (DIN EN ISO 50001, Kap.6.2).
Anforderungen im KliMS
Die PAS 2060 fordert einen THG-Managementplan. Wie dieser konkret aussieht, bleibt dem Unternehmen überlassen. Aber es muss deutlich gemacht werden, welche Maßnahmen wann zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks geplant und umgesetzt werden. Die Wirksamkeit der Maßnahmen muss durch geeignete Kennzahlen nachgewiesen werden. Der Maßnahmenplan muss mindestens alle 12 Monate aktualisiert werden (PAS 2060, Kap. 7 und 8.1.1). Weiterhin muss die Organisation die Menge an CO2-Gutschriften bestimmen, die zum Ausgleich der reduzierten THG-Emissionen erforderlich ist, um den Status der Klimaneutralität zu erreichen. Dazu gehört auch, dass sie den Standard und die Methode angeben und dokumentieren muss, die sie zur Erreichung des THG-Ausgleichs verwendet. Zugelassen sind nur echte Gutschriften oder abgegebene Zertifikate, die zusätzliche THG-Emissionsreduktionen an anderer Stelle darstellen (PAS 2060, Kap. 9).
Auch die ISO 14064-1 gibt Hinweise für die Zieldefinition, obwohl sie kein Management- sondern ein Bilanzierungsstandard ist. Nach ISO 14064-1 sollte die Zieldefinition folgendes umfassen (ISO 14064-1, Kap. 7.3):
- Zielart/-niveau -> absolutes (z. B. -200 tCO2eq) oder relatives Ziel (z. B. -30% tCO2eq/Mitarbeiter) oder ein referenzbasierter Ansatz bezogen auf das Pariser Abkommen oder die Science Based Targets-Initiative (SBTI)
- Emissionsart – direkt oder indirekt? Scope 1+2? Oder auch Scope 3?
- Dauer – Wann wird das Ziel erreicht und woran wird es gemessen?
- Verwendung von Offsets oder Gutschriften – Werden Offsets oder Gutschriften verwendet, um das Ziel zu erreichen?
Aus den Zielen müssen Maßnahmen abgeleitet werden (ISO 14064-1, Kap. 7.1, 7.2, 7.3). Klimaziele und -maßnahmen unterliegen generell der Handlungskaskade Vermeiden – Vermindern – Kompensieren. Das heißt:
- Vermeiden: Primär sollten Ziele gesetzt werden, die THG-Emissionen durch Prozessumstellungen (z. B. Abwärmenutzung zum Vorwärmen) bzw. durch Energieträgerwechsel (z. B. dem Einsatz eines Elektroofens mit Grünstrom statt eines Erdgasofens) direkt und auch perspektivisch vermeiden.
- Vermindern: Falls dies nicht möglich ist, können durch Effizienzgewinne bei der Energie und Materialnutzung oder durch Materialsubstitution mit CO2-ärmeren Materialien (z. B. Naturfasern statt Glasfasern) THG-Emissionen reduziert werden. Das Maßnahmenspektrum umfasst neben den bereits genannten Maßnahmen noch viele Weitere (siehe für einen Überblick Abbildung 13).
- Kompensieren: Der letzte Schritt, die Kompensation bzw. der Ausgleich, sollte nur für nicht vermeidbare THG-Emissionen genutzt werden. Was genau „nicht-vermeidbar“ bedeutet, ist aktuell ein stark diskutiertes Thema, da dies neben technischen auch wirtschaftliche Aspekte umfasst. Der Handel mit Kompensationszertifikaten hat aufgrund der starken Nachfrage in den letzten Jahren deutlich zugenommen. So auch die Arten von Kompensationsprojekten. Hier sind unbedingt Informationen einzuholen, um welche Form des Projektes es sich handelt und ob damit Emissionen „nur“ vermieden oder aus der Umwelt entfernt werden können. Letztere Projekte sind tendenziell teurer, enthalten aber aus wissenschaftlicher Sicht einen robusten Anspruch hinsichtlich der THG-Neutralität.
Welche Ziele für welche Emissionen und damit Scope abgeleitet werden, hängt von den Ergebnissen der THG-Bilanz ab. So können sich Ziele nur auf die Reduzierung von Scope-1-Emissionen oder auf die Verminderung von Emissionen aus Scope 1, 2 und 3 beziehen. Der Zeithorizont der Ziele kann in kurz-, mittel- oder langfristige Ziele unterteilt werden, wobei der grobe Durchschnitt für mittelfristige Ziele bei etwa 5 Jahren und für langfristige bei etwa 10 Jahren liegt. Gerade im KliMS haben Ziele häufig einen mittel- bis langfristigen Charakter, da reale Innovationen häufig mit technologischen verbunden sind, die teilweise noch nicht für die Massenanwendung auf dem freien Markt zur Verfügung stehen (z. B. grüne Wasserstoffanwendungen). Die Umsetzung der Maßnahmen sollte engmaschig und regelmäßig mittels Kennzahlen überprüft werden.
Ein absolutes Ziel konzentriert sich auf die effektive Reduktion von Emissionen und ist geeignet, um ein Netto-Null-Ziel zu erreichen, erlaubt aber keine Unterscheidung von Reduktionen durch geringeren Output oder höhere Effizienz. Ein relatives Ziel ist ideal für internes oder sektorspezifisches Benchmarking. Es sollte aber dennoch die absoluten Emissionen reduzieren, da die absoluten Emissionen in einigen Fällen steigen können, während die relativen Emissionen sinken (z. B. bei höherem Produktionsausstoß).
Im Klimamanagement hat sich der Ansatz des referenzbasierten Ziels nach der SBTi etabliert. Grundlage der Initiative ist die Idee eines globalen CO2-Budgets, das noch zur Verfügung steht, um innerhalb des 1,5°C- oder 2°C-Pfades des Paris Abkommens zu bleiben. Diese Idee basiert auf dem SR15-Bericht des IPCC und bezieht sich auf die Frage "Was muss getan werden? ” anstatt „Was kann getan werden?“ (Top-Down vs. Bottom-Up).
Einen Überblick über das weltweit verbleibende CO2-Budget erhalten Sie hier:
Es ist aus wissenschaftlicher Sicht an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass THG-Neutralität einen bilanziellen Ausgleich zwischen anthropogenen THG-Emissionen und der Entnahme von THG aus der Atmosphäre bedeutet. Auf dem Kompensationsmarkt können 2 Arten von Kompensationsprojekten unterschieden werden:
„avoided Emissions“-Projekte: Diese Projekte sparen gegenüber einem hypothetischen Szenario THG-Emissionen ein (z. B. Bau eines Windparks statt Kohlekraftwerk in Indien). Sie entnehmen aber aktiv keine THG aus der Umwelt.
„Carbon Dioxide Removal (CDR)“: Diese Projekte entfernen aktiv THG-Emissionen aus der Umwelt. CDR-Maßnahmen können in natürliche und technische Maßnahmen kategorisiert werden:
Zu den natürlichen CDR-Maßnahmen gehören z. B. Projekte der Aufforstung von Wäldern oder des Humusaufbaus in Böden.
Durch technische CDR-Maßnahmen kann z. B. CO2 durch Filteranlagen aus dem Rauchgasstrom und auch aus der Umgebungsluft abgespalten werden, um es als Rohstoff zu nutzen (Carbon Capture and Utilisation (CCU)) oder zu lagern (Carbon Capture and Storage (CCS)). Diese Projekte sind tendenziell teurer, aber schaffen aus wissenschaftlicher Sicht einen robusten Anspruch für THG-Neutralität.
Die SBTI erkennt nur CDR-Maßnahmen zum Ausgleich von unvermeidbaren Emissionen bei der Zielerreichung an, wobei klassische Kompensationsprodukte als sinnvoller Zusatz gesehen werden.
Abbildung 13: Strategiebereiche für Klimaschutzmaßnahmen
Hinweise zur Integration und praktischen Umsetzung
Die Definition, Umsetzung und Nachverfolgung von Klimaschutzzielen folgt der gleichen Logik wie die der Energieziele. Energieziele haben i.d.R. auch einen Klimaeffekt, Klimaschutzziele führen zu einem effizienteren Umgang mit Energie. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, das Thema Ziele integriert zu betrachten und die Klimaschutzziele in den vorhandenen Ziel- und Maßnahmenkatalog zu integrieren. Der sich daraus ergebene Aktionsplan gemäß ISO 50001 kann um Anforderungen an den THG-Maßnahmenplan erweitert werden (z. B. müssen die Emissionsverminderungseffekte angegeben werden). Außerdem werden sich die Zielausrichtung und Kennzahlen unterscheiden, da die Zielgröße bzw. Einsparung im EnMS in Energieeinheiten (z. B.: kWh, MWh, MJ) und im KliMS in CO2eq gemessen werden. Letzteres ist möglicherweise aufwendiger, da für jede Maßnahme eine eigene THG-Berechnung durchgeführt werden muss, für die es unter Umständen keine Emissionsfaktoren gibt bzw. diese sehr generisch sein können. Dies betrifft insbesondere die Scope-3-Emissionen. Die Regio-Tex GmbH hat auf Basis ihrer THG-Bilanz folgende THG-Emissionen als besonders wesentlich erachtet:
- Emissionen aus dem Strom- und Erdgasverbrauch (Scope 1 und 2)
- Transportemissionen aus der nachgelagerten Logistik (Scope 3)
- Emissionen der eingekauften Textilien aus der vorgelagerten Kette (Scope 3)
Deswegen wurden für diese Bereiche folgende Klimaziele definiert, die dem aktuellen Ziel- und Maßnahmenkatalog hinzugefügt wurden:
- Erhöhung des Anteils von Strom aus erneuerbarer Energie auf insgesamt 70 %
- Verringerung des Erdgasverbrauches durch ein optimiertes Heizungsmanagement
- Vereinbarungen über einen Mindestbeladungszustand der LKW der Logistik
- Aufnahme eines Dialoges mit dem Textillieferanten zu alternativen Textilien/Rohstoffen
Zur Erreichung der Klimaziele hat die Regio-Tex GmbH verschiedene Maßnahmen definiert und diese in einem separaten THG-Maßnahmenplan dokumentiert, der außerdem Informationen über das THG-Ausgleichsprogramm enthält. Die Maßnahmen wurden hinsichtlich ihrer jeweiligen Vermeidungskosten in €/tCO2eq überprüft, um kosteneffizient die THG-Emissionen zu reduzieren. Die Vermeidungskosten werden als Quotient des Kapitalwerts einer Maßnahme zur annualisierten CO2-Einsparung definiert. Wird dies für verschiedene Maßnahmen berechnet, ergibt sich ein Maßnahmenportfolio, denn die Grenzvermeidungskosten der verschiedenen Maßnahmen unterscheiden sich. Z. B. sind die Kosten zur Reduzierung 1 t CO2 im Gebäudebereich (Außenhülle) deutlich teurer als die Kosten für Effizienzsteigerungsmaßnahmen. Der Investitionsbedarf in der Industrie beträgt im Median zwischen 35 und 157 €/t CO2, wenn die Einsparung durch die Umstellung von Produktions- bzw. Industrieprozessen erfolgt. Im Wohnbau liegt der notwendige Investitionsbedarf im Median bei 850 bis 2500 €/t CO2 um die erforderliche Gebäudeeffizienz zu erreichen.
Die Verfolgung der Zielerreichung wird mit Kennzahlen durchgeführt. Der Kennzahlenkatalog aus dem EnMS wurde von der Regio‑Tex GmbH um Kenngrößen der THG-Emissionen, wie den Transportemissionen, aus der nachgelagerten Logistik und der eingekauften Textilien erweitert.