Kommunaler Klimaschutz: Ohne Geld, mit System
Kommunales Energiemanagement und das Online-Tool Kom.EMS kurz erklärt.
Städte, Gemeinden und Landkreise sind beim Thema Klimaschutz Vorbild, Impulsgeber und aktive Gestalter! - So zumindest die einhellige Meinung in Politik und Gesellschaft. Beim genaueren Blick in die kommunale Praxis stellt sich jedoch heraus, dass dieser Wunsch von der Wirklichkeit meilenweit entfernt ist. Die Realität ist eher, dass Kommunen in Deutschland mit leeren Kassen, Überschuldung, einem erheblichen Investitionsstau und fehlendem Fachpersonal zu kämpfen haben. Vor allem kleine Kommunen können die Vielzahl an Themen des Klimaschutzes kaum vollumfänglich abdecken. Zumal das Thema Klimaschutz weiterhin eine freiwillige und keine Pflichtaufgabe der Kommune ist.
Nichtinvestive Kosten- und Effizienzpotentiale
Dabei gibt es viele Ansatzpunkte um Energie und Kosten in Gemeinden, Städten oder Landkreisen einzusparen, auch ohne größere Investitionen tätigen zu müssen. Ein kommunales Energiemanagement für die eigenen, kommunalen Gebäude, wie zum Beispiel in Schulen, Rathäusern oder Sporthallen, hilft dabei. Durch eine systematische und kontinuierliche Herangehensweise bei der Organisation und der Gebäudeanalyse und -optimierung können ungenutzte Effizienzpotentiale leicht aufgedeckt und ausgeschöpft werden. Erfahrungen aus mehreren Projekten zeigen, dass durch ein funktionierendes kommunales Energiemanagement und nichtinvestive Maßnahmen durchschnittlich 10 % der Energie- und Wasserbräuche eingespart werden können. Neben den Verbräuchen konnten auch die Kosten um durchschnittlich 20 % gesenkt werden, wie beispielsweise durch die Reduzierung von Anschlussleistungen oder kleiner dimensionierten Kaltwasserzählern. Weitere Einsparungen sind dann durch zielgerichtete Investitionen möglich.
Energiemanagement am Beispiel erklärt
Wie sowas genau funktioniert, kann ein Praxisbeispiel am besten verdeutlichen: Die Stadt Rodewisch im Vogtland ist seit 2015 im kommunalen Energiemanagement aktiv und konnte seitdem knapp 30 % der Energie- und Wasserkosten des gesamten Liegenschaftsbestandes einsparen. Dies war nur durch eine Vielzahl an Einzelmaßnahmen möglich. Zunächst wurden alle 14 Liegenschaften der Stadt einer Grobanalyse unterzogen. Aktuelle, jährliche Verbräuche und Kosten je Gebäude wurden zusammengetragen und mit Benchmarks verglichen, um Ansatzpunkte für weitere Optimierungsmaßnahmen aufzudecken. Darauf aufbauend wurden energetisch auffällige Gebäude genauer untersucht. Neben einer detaillierten Bestandsaufnahme der Gebäudesubstanz und Anlagentechnik, erfolgte auch die Einführung eines Energiecontrollings und Berichtswesens. Wärme-, Strom- und Wasserverbräuche werden seit Einführung monatlich erfasst, bewertet und in eine verständliche Berichtsform gebracht. Dabei ist eine Software hilfreich.
Mit dieser Datengrundlage und dem detaillierten Gebäudewissen erfolgte dann eine kontinuierliche Optimierung des Gebäude- und Anlagenbetriebs sowie eine gezielte Sensibilisierung der Nutzer. In der Göltztalhalle in Rodewisch, einer Veranstaltungshalle für den Schul- und Vereinssport, war das zum Beispiel eine Anpassung der Betriebszeiten an die Nutzungszeiten, ein optimierter Betrieb der Heiz- und Lüftungsanlage (Nachtabsenkung, Heizkurveneinstellungen, Luftvolumenströme, etc.), aber auch eine Reduzierung des vorhandenen und überdimensionierten Kaltwasserzählers. Allein durch diese kostenfreien Maßnahmen in der Sporthalle konnten etwa 25 % des Wärmeverbrauchs und 20 % des Stromverbrauchs reduziert werden.
Nach Ausschöpfung dieser Maßnahmen musste, um weitere Effizienzpotentiale zu erschließen, Geld in die Hand genommen werden. Die Beleuchtung wurde als wesentlicher Verbraucher im Bereich Strom erkannt und eine Erneuerung der Beleuchtungsanlage vorangetrieben. Dabei setzte sich im wirtschaftlichen Vergleich zwischen LED-Retrofit-Lösung der alten Leuchtstoffröhren und Neuinstallation der Beleuchtungsanlage inkl. Förderung die erste Variante durch. Mit einer Amortisationszeit von etwa 4 Jahren wurden ca. 300 alte Leuchtmittel durch energiesparenden LED-Tubes ersetzt. Gesamteinsparung in der Göltztalhalle seit 2015: 43 % bzw. 18.000 Euro/a.
Kom.EMS als zentrales, kostenloses Portal
Das beschriebene Vorgehen und die Einsparungen der Stadt Rodewisch sind kein Einzelfall, sondern basieren auf einem länderübergreifenden System und jahrelanger Erfahrung bei der Beratung von über 200 Gemeinden, Städten und Landkreisen. Unter dem Namen Kom.EMS haben die Landesenergieagenturen aus Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen-Anhalt unter www.komems.de ein Online-Portal entwickelt, welches Kommunen bestmöglich beim Aufbau und der Professionalisierung eines kommunalen Energiemanagements unterstützt. Seit Herbst 2018 können Kommunen aus den jeweiligen Bundesländern auf das gesammelte und kostenfrei zugängliche Wissen zurückgreifen. Neben einem Leitfaden in gedruckt oder digitaler Form und einem Schnellcheck zur Ersteinschätzung des Umsetzungsstands beinhaltet das Portal auch ein professionelles Qualitätsmanagementsystem verbunden mit einer Vielzahl von nützlichen Arbeitshilfen. Dadurch gibt das Online-Portal den Kommunen eine Struktur vor und bildet die Basis für den Aufbau und die Etablierung eines Energiemanagements. Die Inhalte gehen dabei weit über eine reine Optimierung einzelner Gebäude hinaus und setzen bereits bei den notwendigen Verwaltungsstrukturen und der Organisation der Aufgaben und Verantwortlichkeiten an.
Auch Energieberater können das Tool kostenfrei nutzen und bei der Beratung von Kommunen auf das Wissen und die Systematik zurückgreifen. Dadurch ergeben sich einige Vorteile. So wird zum Beispiel eine effiziente Umsetzungskontrolle ermöglicht und ein gezieltes Coaching deutlich erleichtert. Durch die praxiserprobten Arbeitshilfen und Vorlagen werden zudem handhabbare Lösungen ohne Mehraufwand angeboten. Eine Nutzung des Tools sowie die Listung als „Kom.EMS-Coach“ sind jedoch nur möglich, wenn Energieberater einige Grundvoraussetzungen und Mindestqualitätsstandards nachweisen können.
Einsparung durch Qualität?
Kommunen die Kom.EMS umfassend nutzen, können sich über eine externe Qualitätsprüfung eine hohe Qualität ihres Energiemanagements bestätigen lassen. Als »Kommune mit ausgezeichnetem Energiemanagement« haben sich deutschlandweit bereits mehrere Kommunen prüfen und auszeichnen lassen. Dabei ist der Nachweis eines kommunalen Energiemanagement nach Kom.EMS nicht nur eine öffentlichkeitswirksame Auszeichnung. Eine Auswertung der Verbrauchs-, Kosten- und CO2-Emissionsentwicklungen von den 7 zertifizierten und 15 nicht zertifizierten Kommunen aus Projekten der Sächsischen Energieagentur bestätigt den Nutzen des Energiemanagement-Systems. Bereits zertifizierte Städte und Gemeinden erreichten, im Vergleich von Kommunen die zwar ein Energiemanagement betreiben aber nicht zertifiziert sind, deutlich höhere Einsparungen in ihren optimierten Gebäuden. Durchschnittlich konnten die Kom.EMS-zertifizierten Kommunen in ihren optimierten Gebäuden die CO2-Emissionen um 17 % und die Kosten um über 20 % senken. Das entspricht einer 5 % höheren CO2-Minderung und 13 % mehr Kostenersparnis als bei den nicht zertifizierten Kommunen.
Preise und weitere Bundesländer
Das Einsparpotential von bundesweit ca. 1 Millionen Tonnen CO2 und Kom.EMS als Umsetzungsplattform wurde mittlerweile auch von Politik und Industrie erkannt und gewürdigt. Seit März 2020 ist das Portal Kom.EMS mit dem Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt (IKU) des Bundesumweltministeriums und des Bundesverbands der Deutschen Industrie ausgezeichnet. In der Kategorie Produkt- und Dienstleistungsinnovationen für den Klimaschutz konnte Kom.EMS die hochrangige Jury überzeugen.
Im November 2020 erhielt Kom.EMS außerdem den Perpetuum Energieeffizienzpreis der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF). Im Rahmen der virtuellen Jahreskonferenz konnte das Online-Tool Kom.EMS das Publikum überzeugen und wurde als herausragende Innovationen im Bereich Energieeffizienz ausgezeichnet.
Überzeugen konnte Kom.EMS seitdem auch weitere Bundesländer und deren Landesenergieagenturen sowie viele Kommunen. Seit 2020 können auch Städte, Gemeinden und Landkreise aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen das Portal kostenfrei nutzen und ihre Liegenschaften mithilfe von Kom.EMS optimieren. Bundesweit haben sich seit der Veröffentlichung des Webtools bereits mehr als 230 Kommunen registriert und nutzen die Vielzahl der hilfreichen Instrumente für ihre tägliche Arbeit im Energiemanagement. Die Verbreitung auch in den verbleibenden Bundesländern und die Weiterentwicklung zu einem bundesweiten Standard sind die nächsten Schritte.
Fazit
Kommunales Energiemanagement ist eine bewährte und wirtschaftliche Art, um Kosten, Verbräuche und CO2-Emmissionen in öffentlichen Gebäuden einzusparen – auch ohne größere Investitionen tätigen zu müssen. Mit dem kostenlosen Online-Portal Kom.EMS steht unter www.komems.de den Gemeinden, Städten und Landkreisen aus 9 Bundesländern zudem ein professionelles Umsetzungsinstrument zur Verfügung. Durch die Verbreitung von Kom.EMS in mehr als der Hälfte der deutschen Bundesländer ist das Portal auf einem guten Weg Richtung bundesweitem Standard. Bei einer qualitativ hochwertigen Umsetzung des Energiemanagements nach Kom.EMS konnten darüber hinaus deutliche Mehr-Einsparungen bei einer Vielzahl von Kommunen nachgewiesen werden.